Für
den diesjährigen Caritas-Sonntag am 23. September hatten sich Pfarrer Norbert Christoph
von der Finsterwalder Pfarrgemeinde sowie Beate Leis und Andreas Jahn von der
örtlichen Caritas-Dienststelle auf das Thema „Staatliche Heimerziehung in der
ehemaligen DDR - ein Zeitzeuge berichtet“ verständigt. Ausschlaggebend für die
Wahl des Themas war die verstärkte Inanspruchnahme der Caritas-Beratungsstelle
durch Betroffene.
Begonnen hatte der Caritas-Sonntag mit der Heiligen
Messe in der Pfarrkirche. Pfarrer Christoph nahm in seiner Predigt Bezug auf
die Aussage des Tagesevangeliums: „Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm
es in seine Arme und sagte zu ihnen: Wer ein solches Kind um meinetwillen
aufnimmt, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich
auf, sondern den, der mich gesandt hat“. Insoweit ist das Kind ein Symbol für
alle, für die wir als Christen Verantwortung tragen. Dabei geht es nicht nur um
die Dienste der Institution Caritas, sondern auch um die Nächstenliebe, die
jedem aufgetragen ist. Gerade in der sozialistischen Gesellschaft wurde oftmals
diese Würde des Menschen, besonders die vieler unschuldiger Kinder und
Jugendlicher, verletzt.
Mit Ralf Weber, der mehrere Einrichtungen des
DDR-Heimsystems bis hin zum Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau erlebt hat, ist
ein authentischer Zeitzeuge für die Veranstaltung gewonnen worden. Von den
Gründen seiner Heimeinweisung, gegen die es in der ehemaligen DDR keinerlei
Rechtsmittel gab, bis hin zur Abfolge der Heime und Sonderheime und am Ende
sogar der Unterbringung im Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau gelang es Ralf
Weber, eine klare Beschreibung des staatlichen Erziehungssystems in den
Steigerungsformen von Willensbrechung, Kontrollzwang und Gewalt dem Publikum zu
vermitteln.
Im letzten Teil seines Vortrages ging er auf seine
Beteiligung bei der Aufarbeitung der Geschichte ostdeutscher Heimkinder und der
Initiierung des seit 1. Juli 2012 in Kraft gesetzten Fonds für ehemalige
Heimkinder ein.
Ein
Großteil der Anwesenden reagierte betroffen und schweigend auf die intensiv
vorgetragenen Ausführungen. Das Schweigen wurde erst auf Anfragen und durch
Erzählung von betroffenen Familienangehörigen gebrochen.
Am Ende hat die Veranstaltung gezeigt, dass dieses Thema, auch 23 Jahre nach der Wende, immer noch von starken Tabus besetzt ist. Betroffene schweigen oftmals und bekennen sich aus verschiedenen Gründen nur selten als Opfer. Dennoch hat diese Veranstaltung dazu beigetragen, die Existenz einer Opfergruppe in die Öffentlichkeit zu rücken. Insbesondere hat Ralf Weber Betroffenen Mut gemacht, ihre Geschichte nicht im Schweigen untergehen zu lassen.